Taucharchäologie auf der Landesgrenze:
Untersuchungen am Orkopf
(Öhningen D / Eschenz CH)
Der Orkopf ist eine Untiefe in der Nähe der "Stiegener Enge" am Ausfluss des Seerheins im Untersee. Der Bodensee verengt sich hier zu einem unübersichtlichen System aus Rinnen, Seekreide- und Kiesbänken, Strömungen und Widerwassern. Luftbilder und Tauchbeobachtungen zeigen, dass es im Bereich der Untiefe Pfählungen gibt. Die Fundstelle lässt sich aufgrund ihrer Lage und der bisherigen Beobachtungen mit den prähistorischen Siedlungsanlagen auf der Insel "Werd" bei Stein am Rhein (CH) vergleichen und markiert möglicherweise einen alten Flussübergang.
2007 führten das Amt für Archäologie des Kt. Thurgau und das baden-württembergischen Landesamt für Denkmalpflege in einem Gemeinschaftsprojekt archäologische Untersuchungen in der Fundstelle durch, die ab 2008 im Rahmen eines Interreg IVa Projektes fortgeführt wurden. Ziel der Geländeaktionen, die von einem gemischten Team aus schweizerischen und deutschen Forschungstauchern durchgeführt wurden, war die zeitliche Bestimmung der sichtbaren Baureste sowie die Klärung ihrer Ausdehnung und Erhaltung. Funde, dendrochronologische Datierungen und 14C-Datierungen lassen inzwischen erkennen, das der Platz über Jahrtausende vom Menschen genutzt wurde. Nachgewiesen sind Belegungen im Jung- und im Endneolithikum (3900 v. Chr - 3100 v. Chr.) und in der Frühen Bronzezeit. Römische Keramik lässt eine Nutzung in der Antike erkennen. Pfähle am Nordrand der Untiefe markieren möglicherweise die Position eines Flussüberganges aus dem frühen Mittelalter. Ein Steinanker, ein steinerner Netzsenker, ein hölzernes Ruderblatt und der eiserne Beschlag eines Bootshakens stellen darüber hinaus deutliche Hinweise auf intensiv genutzte Schifffahrtspassage und fischereiwirtschaftliche Nutzungen von der Steinzeit an bis in die frühe Neuzeit dar.
Die Untersuchungen stehen im Rahmen der Erfassung bisher kaum bekannter Pfahlbausiedlungen, deren Kartierung für die Tentativliste des geplanten Antrages zur Aufnahme der Pfahlbausiedlungen in die UNESCO-Welterbeliste erforderlich ist. Am 1.1.2008 wurde das Denkmal in das Interreg IV-Projekt "Ufererosion und Denkmalschutz am Bodensee und Zürichsee" aufgenommen. Die seither laufenden Geländeaktionen beinhalten seither Untersuchungen zu den Möglichkeiten eines dauerhaften Schutzes des Denkmalkomplexes.
Die Arbeiten auf der deutschen Seite wurden durch das Referat 115 des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Arbeitsstellen Hemmenhofen geleitet (Dr. H. Schlichtherle, Dr. B. Dieckmann), die schweizerische Seite wurde durch das Amt für Archäologie des Kt. Thurgau Dr. H. Brem / S. Benguerel vertreten. Für die Forschungstaucherarbeiten zeichneten Dr. Martin Mainberger und Matthias Schnyder verantwortlich.