2. Die Rohdaten

Per Hoffmann und Martin Mainberger

2.1 Die Erhebung der Rohdaten

Alle archäologischen Landesämter und Landschaftsverbände sandten uns Aufstellungen der in ihrem Zuständigkeitsbereich registrierten Schiffs- und Bootsfunde, zuletzt berichtigt im August 2013. Jeden Fund ergänzten sie mit den Angaben, um die wir auf einem Fragebogen gebeten hatten:

  • Art oder Typ des Fahrzeugs (Plankenschiff, Einbaum, monoxyler Schwimmkörper),
  • aktuelle und rekonstruierte ursprüngliche Abmessungen,
  • Erhaltungszustand,
  • Fundort mit Koordinaten und Fundjahr,
  • Fundumstände,
  • gängiger Name des Objektes,
  • Zeitstellung,
  • Holzart,
  • Konservierung, wenn ja, wie,
  • kann wo besichtigt werden,
  • Literatur zum Fund.

662 Funde wurden gemeldet, davon sind 147 Plankenschiffe, 502 Einbäume, sowie 8 monoxyle Schwimmkörper (Karte 1). 1 „Abwrackplatz“, 1 „Einbaummodell“, 1 Spant sowie 2 von den jeweiligen Bearbeitern nicht klassifizierte oder mit Fragezeichen versehene Objekte wurden in den Karten nicht berücksichtigt. Die Einteilung der Funde in Plankenschiffe, Einbäume und Schwimmkörper folgt dem bereits bekannten und zukünftig zu erwartenden Fundbestand.
Bei unvollständigen oder fragmentierten Objekten ist es manchmal schwer zu entscheiden, ob es sich um einen Einbaum, einen Schwimmkörper, eine Viehtränke oder eine Wasserleitung handelt. Wir haben alle Angaben so übernommen, wie sie uns gemeldet wurden.

Unsere Gattung Plankenschiffe umfasst sowohl große seegehende Segelschiffe wie auch kleine, für den Verkehr auf Binnengewässern konzipierte, ungedeckte Boote, die aus Planken, Steven, Spanten und weiteren Bauteilen zusammengesetzt sind. Sekundär verbaute Schiffbauteile – etwa in Gebäuden oder Brunnen – wurden nicht berücksichtigt. Einbäume sind zur Fahrt durch das Wasser konzipierte, aus einem geglätteten Stamm ausgehöhlte, monoxyle oder mit einem Heckbrett geschlossene Wasserfahrzeuge. Das Wort Einbäume umfasst auch die als Stammboote gemeldeten Funde.
Schwimmkörper sind als Auftriebskörper für Fähren, Flöße, schwimmende Mühlen und Brücken konzipiert, sie können aus geglätteten oder naturbelassenen Stämmen ausgehöhlt sein.

Je nach Tradition und Usancen der Landesämter und nach Überlieferung der Informationen sind die uns zugesandten Datensätze mehr oder weniger vollständig und ausführlich, wie es bei historisch gewachsenen Sammlungen von Aufzeichnungen nicht anders zu erwarten ist. Oft kommen folgende Fehlstellen und Mängel vor:

  • Einbäume/Stammboote wurden nur äußerst selten differenziert nach Booten und Schwimmkörpern gemeldet.
  • Der Fundort ist in vielen Fällen nur nach Gewässer, Gemeinde, Kreis beschrieben, ohne Angabe von Koordinaten. In alten Fundbeschreibungen wird manchmal Bezug genommen auf topographische Merkmale wie Brücken, Schleusen, Mühlengerinne und Anderes – durchaus veränderliche Bezugspunkte.
  • Angegebene Koordinaten können sich – nicht immer sofort zu erkennen – auf verschiedene von Archäologen benutzte Systeme beziehen. Wir fanden sechs verschiedene.
  • Die Zeitstellung der Funde ist manchmal nur grob in archäologischen Zeiträumen angegeben. Daneben gibt es Radiocarbon-Datierungen, calibriert und nicht calibriert, und manchmal genauere dendrochronologische Datierungen, sehr selten jahrgenaue.
  • Die Holzart, aus der das Boot gebaut ist, wurde besonders bei alten Funden nur selten vermerkt.
  • Die Abmessungen des Fundes fehlen oft, und nur in wenigen Fällen werden die Maße des rekonstruierten ursprünglichen Bootes genannt.
  • Angaben zum Erhaltungszustand, bzw. zum Umfang des erhaltenen Teils des Fahrzeugs sind selten.
  • Nicht zu allen Funden gibt es Literaturangaben. Oft wird nur auf die betreffende Ortsakte des Landesamtes verwiesen. Auch die Literaturangaben haben wir so übernommen, wie sie uns gemeldet wurden, in einigen Fällen konnten wir unvollständige Zitate ergänzen.

Manche Lücken in den Datensätzen konnten wir durch gezielte und wiederholte Nachfragen schließen, viele aber müssen wir akzeptieren.

2.2 Besonderheiten der Rohdaten

Konsistenz und Vollständigkeit

Datensätze für eine maschinenlesbare Datenbank müssen einheitlich und gleichartig – konsistent – sein, und sie müssen vollständig sein, das heißt in allen Kategorien einen Eintrag haben. Die Rohdaten der Landesämter sind in vielen Aspekten weder einheitlich noch gleichartig, man kann die Daten innerhalb der einzelnen Kategorien oft nicht direkt miteinander vergleichen. Dies ist besonders bei den Fundort-Koordinaten der Fall und bei der Art und den Begriffen der Zeitstellungen.

Vollständigkeit der Daten konnten wir, wie berichtet, auch mit Nachfragen bei den Ämtern nicht erreichen.
Fehlende Fundortkoordinaten ließen sich von den geographischen Koordinaten der gemeldeten Ortsangaben herleiten. Die gemeldeten und hergeleiteten Fundortkoordinaten haben wir zum Zeichnen der Karten gebraucht. Auf Wunsch der Landesämter werden sie aber nicht veröffentlicht.
Die stark unterschiedlichen Ausdrucksformen zur Zeitstellung der Funde haben wir für die Darstellung in Karten in relativ wenige – acht – Zeiträume eingeteilt.
Die Felder in den Tabellen, für die keine Daten vorlagen und auch nicht beschafft werden konnten, haben wir mit „0“ oder „-„ gefüllt. Aus der Rohdatensammlung wurde so eine Datenbank. Näheres zur Bearbeitung der Rohdaten findet sich in Kapitel 3.

Repräsentanz

Aus der Zahl und der geographischen Verteilung von Schiffs- und Bootsfunden kann man nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf historische Verhältnisse ziehen. Welche Bootstypen in welcher Häufigkeit in den Zeitläufen in den verschiedenen Gewässern unterwegs waren, ist aus den vorliegenden Funden nur schwer zu deuten. Viele Faktoren spielen eine Rolle: die Zahl der ursprünglichen Wasserfahrzeuge, die Chancen, dass aufgegebene Boote sich über lange und sehr lange Zeiten erhalten konnten, und die Zufälligkeit ihrer Entdeckung.

Die Zahl der in einem Gebiet zu einer Zeit vorhandenen Wasserfahrzeuge hängt von Faktoren ab, die wir keineswegs alle kennen oder erschließen können. Wichtige Größen dürften die Bevölkerungsdichte, Wirtschaftsweisen sowie die Zahl und der Charakter der schiffbaren Gewässer der Landschaft sein. Hier ist zu bedenken, dass auch kleine Nebenflüsse und Bäche mit sommerlichen Wasserständen unter 30 cm im Rest des Jahres durchaus mehr Wasser führen können und mit einem System von Staustufen und Schwallbewässerung sehr wohl schiffbar sein konnten. Möglichkeiten, Personen, Vieh und Güter auf Wegen und Straßen zu transportieren, wirken sich natürlich auf die Bedeutung von Wasserwegen und die Zahl von Wasserfahrzeugen aus. In moorigen und seenreichen Landschaften sind Wasserwege bis in jüngste Zeit die bevorzugten, wenn nicht gar die einzigen Transportwege gewesen. Entsprechend hoch war die auf die Einwohnerzahl bezogene Zahl gleichzeitig benutzter Boote.

Die Chancen, dass sich ein Schiff oder Boot über Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende erhalten kann, bestimmen natürliche hydrologische Gegebenheiten und anthropogene Veränderungen dieser Gegebenheiten. Ein hölzernes Boot kann nur dann der Zerstörung durch Erosion und dem natürlichen biologischen Abbau durch Pilze, Insekten und Bakterien entgehen, wenn es nach dem Ende des Gebrauchs in sauerstofffreies und ungestörtes Milieu gelangt, d.h. wenn es mindestens 30 bis 50 cm hoch von nassen Sedimenten bedeckt wird oder auf den sauerstoffarmen Grund tiefer, stehender Gewässer sinkt. Ein ruhig fließender, mäandrierender Fluss mit Altarmen und sich verlagernden Stromrinnen bietet bessere Erhaltungsbedingungen als ein schneller fließender Fluss, dessen Uferzonen der Erosion unterliegenden. Grundwasser-Absenkungen verändern den Horizont sauerstoffarmer Verhältnisse. Bisher in anaeroben Bedingungen geschützte Hölzer können plötzlich in wenigen Jahren völlig abgebaut werden, bleiben unter Umständen aber als Schatten in hellem Sediment sichtbar. Auch die Holzart, aus der ein Boot gebaut ist, hat einen Einfluss auf seine Überlebenschance: Boote aus Eichenholz sind widerstandsfähiger gegen biologische und mechanische Angriffe als solche aus Ulme, Linde oder Pappel, die aufgrund anderer Eigenschaften manchmal zum Bootsbau gewählt wurden. Von den Nadelhölzern ist Lärche haltbarer als Fichte und Tanne.

Ein Bootsfund ist meist zufällig und überraschend. Der Grad der Erfassung und Dokumentation archäologischer Funde ist in den Bundesländern seit Beginn der archäologischen Aufnahmen sehr unterschiedlich gewesen und ist es noch. Das Interesse der Archäologen an unscheinbaren und wenig interpretierbaren Bootsfunden war nicht überall gleich groß. Damit ging einher eine sehr unterschiedliche Bereitschaft der Bevölkerung, solche Funde für wichtig zu halten und sie zu melden, besonders, wenn es sich nur um Fragmente handelt. Die Funddichte wird dort zunehmen, wo Archäologen aus eigenem Interesse oder im Rahmen von Forschungsprojekten gezielt nach Überresten von Schiffen und Booten suchen.

Die vorgelegte Datensammlung enthält sicherlich nicht alle zutage gekommene Bootsfunde. Sie ist aber die zur Zeit bestmögliche Zusammenstellung, und die darin aufgeführten Daten sind umfangreich und geben alles Wesentliche wieder, das heute zu den Funden bekannt ist.