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Reute-Schorrenried

Das Moordorf von Reute im zeichnerischen Modell. Blick von Süden über das Dorf zum "Schorrensee" und der Rodung im Wald. Zeichnung: M. Mainberger, Collage sds

Die prähistorische Feuchtbodensiedlung Reute-Schorrenried gilt als eine der bedeutendsten steinzeitlichen Siedlungsfundstellen Südwestdeutschlands. In der Steinzeitforschung bildet sie eine wichtige, bis heute vielfach zitierte Referenz. Fast 90 Jahre nach der Entdeckung und vierzig Jahre nach den ersten Rettungsgrabungen in dem kleinen, durch Austrocknung gefährdeten Ried ist das "Moordorf von Reute" auch in Reute (Bad Waldsee) nicht vergessen.

Die Ausgrabungen in Reute fanden ab 1981/82 statt. Sie gehören zu den ersten archäologischen Geländeaktionen des Projektes "Bodensee-Oberschwaben", mit denen das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg und Helmut Schlichtherle ab Ende der 1970er Jahre den Forschungsstillstand in den südwestdeutschen "Pfahlbauten" beendete (vgl. auch Laudatio zur Verleihung der Felix-von-Hornstein-Medaille an Dr. Helmut Schlichtherle). Ein von Anfang an interdisziplinärer Forschungsansatz und moderne Ausgrabungsmethoden führten schnell zu spektakulären Erfolgen. Hierfür steht auch Reute.

Pfähle, Holzboden und Feuerstelle von "Haus I"

Als geradezu sensationell konnte damals die Entdeckung von Baubefunden gelten, wie man sie im südwestdeutschen Alpenvorland zuletzt in den 1930er Jahren offengelegt hatte . Zugleich wurde deutlich, dass die unmittelbar unter der Grasnarbe liegenden prähistorischen Hausruinen im entwässerten Ried stark durch Austrocknung gefährdet waren. Im Verlauf der über fünf Jahre fortgeführten Rettungsgrabungen wurden schließlich die Umrisse eines kleinen, aus vielleicht 20 Gebäuden bestehenden Weilers erkennbar. Das Dorf lag am oberen Rand des Schussentals an einem kleinen, verlandenden See.

In den einfachen, aus Holz und Lehm gebauten Hütten wurde ein breites Spektrum an Fundmaterial entdeckt. Einzigartig erhaltene, teilweise in ihrer Funktion "rätselhafte" Holzgeräte werfen ein Licht auf eine hochentwickelte Kunst der Holzbearbeitung. (Ein Interview mit Helmut Schlichtherle zur Erfindung von Rad und Wagen lesen Sie hier). Ein Kupferdolch bezeugte zusammen mit einem Schmelz- und Gußtiegel den Zugang zu den Spitzentechnologien der ausgehenden Steinzeit (mehr: Matuschik 1989).

Steingeräte und Keramikfunde belegen Kontakte in weit entfernte Regionen und über die Alpen hinweg bis nach Norditalien. Möglicherweise steht dieses Fundinventar mit der geographischen Position der Moorsiedlung in Verlängerung des Alpenrheintals und zugleich in unmittelbarer Nähe der Europäischen Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Donau zusammen. Reute-Schorrenried liegt damit in einem wichtigen verkehrsgeographischen Kreuzungspunkt, der den Alpenraum mit den großen Wasserstraßen und Verkehrsräumen im Norden und Osten verbindet.

Ausgrabungsteam 1983. Foto: M. Kinsky / LAD
Die Ausgrabung mit Fotoleiter. Foto: M. Kinsky/LAD
Eine Schulklasse 1984. Blick durch das Fenster des Bürocontainers. Foto: C. Meßmer.
Die kürzeste Route vom Bodensee zur Donau führt über das Schussental und Bad Waldsee - Reute. Zwischen den beiden Hauptrouten über die Zentralalpen (über Alpenrheintal und Illertal) gibt es im östlichen Oberschwaben eine ganze Reihe potenzieller Verbindungswege vgl. BELAVI-Projekt
Modell eines Pferdes, ausgehend von Knochenfunden aus Reute, Ausstellung Katharinaberg /Südtirol 2000 (Nachbildung: Kathrin Riedel+). Heute gilt als wahrscheinlich, dass es sich bei den Reutener Pferden um Wildtiere / Jagdbeute handelte.

Einen entscheidenden Anteil am Erfolg der Reutener Ausgrabungen hatte das Grabungsteam. An den Seeufern des Bodensees und den Mooren Oberschwabens entstand in diesen Pionierjahren der Unterwasser- und Feuchtbodenarchäologie eine kleine, bestens geschulte Szene von Fachleuten. (vgl. die Zusammenstellung von Tom Stern+ ab 1986). Zugleich bildete das Team aus Frauen und Männern, Studierenden geistes- und naturwissenschaftlicher Disziplinen, Schüler*innen und Jobbern beste Voraussetzungen für ein professionelles und zugleich außerordentlich kreatives Auseinandersetzen mit den Ausgrabungsbefunden.

Ebenso wichtig war die enge Verbindung zur Ortsgemeinde – nicht ganz selbstverständlich bei der großen Anzahl oft bis zu den Ellbogen im Dreck steckender "Graber", die alljährlich im Sommer in das Dorf einfielen. Die Leiter der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr wurde zur weithin sichtbaren Landmarke der Ausgrabungen.

Zu den regelmäßigen Besuchern gehörten die anliegenden Landwirte, Nonnen des benachbarten Franziskanerinnenklosters, und immer wieder ganze Schulklassen. Legendär sind die die Mahlzeiten in der "Sonne", die Ortsvorsteher Bendel und die Ortsgemeinde alljährlich zum Grabungsabschluss spendierte. Der große Erfolg der Ausstellung, die 1998 im Vereinshaus mehrere tausend Besucher sahen, des Buches, das im selben Jahr erschien und nach wenigen Jahren vergriffen war, sowie der daraus resultierenden weiteren Ausstellungen im Federseemuseum in Bad Buchau, im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen und in Katharinaberg / Südtirol, ist diesen engen Verbindungen geschuldet. Dass die Reutener vierzig Jahre später neue Zeichen setzen, steht in dieser Tradition.

Zu den Informationstafeln auf der Fundstelle

Bericht in der Schwäbischen Zeitung

Die Entdeckung: Grabung 1934

Weiterführende Informationen:

Reute Schorrenried in der Wikipedia
Reute in den "Archäologie online" - Seiten der Universität Freiburg
BELAVI: Eine neue Fundlandschaft im östlichen Oberschwaben und im Westallgäu

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