Angaben über das Jahr oder den Zeitraum, in dem ein Wasserfahrzeug gefunden wurde, besitzen wir von 499 Funden. Bei manchen Objekten bleiben die Zahlen unscharf, etwa wenn von „vor 1937“ oder „vor 1939“ (gemeint ist vermutlich in beiden Fällen: „vor dem 2. Weltkrieg“) die Rede ist. Karten 4 und 5 kartieren Ort und Fundjahr klassifiziert nach vier Intervallen: das 18. und 19. Jahrhundert, das 20. Jahrhundert bis 1938, bis 1980 und nach 1980. Die Graphik zeigt die Funde nach Fundjahren geordnet, sowie die Jahre, in denen Konservierungsprojekte begonnen wurden.
Die ältesten Nachrichten über den archäologischen Fund eines
Wasserfahrzeugs stammen noch aus dem 18. Jh. Sie beziehen sich auf den
Einbaum Ni-56 aus dem Teufelsmoor in Niedersachsen, der bereits 1785
veröffentlicht wurde. Auch spätere Einbaumfunde stammen oft aus Mooren
und aus Torfstichen – allen voran aus dem Federseemoor in
Oberschwaben, wo in den 1930er Jahren bereits 25 Einbaumfunde bekannt
geworden waren (Paret 1930). Die letzte mit
der Torfgewinnung verbundene Fundmeldung datiert von
1983 aus Berlin-Brandenburg.
Bauarbeiten – an Gebäuden, Brücken, Hafenanlagen – werden im 19.
Jahrhundert als häufigste Ursache von Einbaumentdeckungen genannt. Im
Fall von HB 24, der beim Bau des Bremer Freihafens entdeckt wurde, ist
noch von „Ausheben“, also wohl zumindest teilweise händischem Arbeiten
die Rede. Gleichzeitig setzen Berichte über Funde im Zusammenhang mit
maschinellem Baggern ein. Wieder stammen die ersten Berichte von der
Weser, wo im Zusammenhang mit der zweiten Weserkorrektur ab 1880 HB 1
(KtlgNr 102) geborgen wurde. Hafenbauten, Flussbegradigungen,
Kanalbauten bleiben dann auch im 20. Jh. eine der Hauptursachen für
Einbaumentdeckungen. Ab 1930 setzt in der Beschreibung der
Fundumstände Kiesgewinnung als Stichwort ein; ab den 1950er Jahren
nimmt der Anteil solcher Funde stark zu. Die letzten im Zusammenhang
mit dem Kiesabbau genannten Funde stammen aus dem Jahr 1990.
Über Entdeckungen durch Taucher wird vereinzelt ab 1933 berichtet.
Erst in den 1980er Jahren vermehren sich solche Beobachtungen dann
sowohl in Norddeutschland wie in Süddeutschland stark. Interessant
ist, dass der ab den 1990er Jahren einsetzende Lifestyle - Tauchboom
offenbar zu keinen neuen Entdeckungen bzw. Fundmeldungen mehr geführt
hat.
Die ersten systematischen, von Fachleuten durchgeführten Untersuchungen an Einbäumen stellen wohl die ab Beginn der 1920er Jahr einsetzenden Untersuchungen O. Parets und H. Reinerths im Federseeried dar (Paret 1930; Reinerth 1979; Reinerth 1980) . Mit den Untersuchungen Reinerths sind allerdings zugleich schmerzliche Lücken gerissen worden. Das Federseebecken und der Dümmer in Niedersachsen, in dem Reinerth und das Reichsamt für Vorgeschichte ebenfalls tätig wurden, gehören selbst im mitteleuropäischen Rahmen zu den vielleicht wichtigsten Einbaum – Fundlandschaften überhaupt. Angemessene Publikationen etwa zu den Einbäumen der Wasserburg Buchau oder der mesolithischen und neolithischen Einbäume vom Dümmer sind aber ausgeblieben (Mainberger 2016, 337; Kossian 2006, 13f). Nach dem 2. Weltkrieg kam es in Süddeutschland erst in den 1980er Jahren, in Nordostdeutschland ab Beginn der 1990er Jahren wieder zu planmäßigen wissenschaftlichen Untersuchungen an Einbäumen. Zuletzt haben dabei Taucher – in der Regel archäologisch ausgebildete Forschungstaucher – eine wichtige Rolle gespielt (z.B. Pflederer 2009). Gleichzeitig konnten dabei – mit dem mesolithischen Einbaum von der Insel Poel (Lübke 2000, 23) - erstmals Funde aus dem maritimen Umfeld beobachtet werden.
Unterschiede der Entdeckungsgeschichte der einzelnen hydrographischen Räume und Fundlandschaften lassen sich in der Karte und in den Daten nicht erkennen. Die divergierenden Entwicklungen, die etwa die Landschaften im südwestdeutschen Voralpenland im Verhältnis zu Mecklenburg – Vorpommern und der Ostseeküste in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht genommen haben, schlagen sich also zumindest im recht groben Raster der Dezennien nicht oder kaum nieder. Es ist vielleicht der Größe der Objekte und der leichten Erkennbarkeit gut erhaltener, weitgehend unfragmentierter Stücke zu verdanken, dass Einbäume im ganzen Gebiet der heutigen BRD bereits früh auch von Laien (Torfstechern, Baggerfahrern, Sporttauchern) als archäologische Funde erkannt und gemeldet wurden.
Mit dem Abriss über Fundumstände in Raum und Zeit sind zugleich auch die wichtigsten geomorphologischen Einheiten und Gewässertypen umrissen, aus denen die jeweiligen Bodenfunde in der Regel stammen. Im Kern handelt es sich zum Einen um Verlandungsmoore, Kiesgruben und Niederungen, zum Anderen um offene Gewässer wie Seen, Flüsse, sowie Küstengewässer. Wenn man einmal beiseite lässt, dass Moore sowohl in Flussniederungen, auf Wasserscheiden, und in verlandenden Seebecken entstehen können, sind damit auch die Gewässertypen benannt, auf denen Einbäume gefahren sind, nämlich auf Fließgewässern, auf Binnenseen, und nahe der Meeresküste.
Über Fundumstände und Fundjahr von Plankenschiffen und -booten sind wir in 133 Fällen unterrichtet. Die Entdeckungsgeschichte verläuft hier zunächst ähnlich wie bei den Einbäumen: im 19. Jh. spielt Torfgewinnung (Nydam – Schiff, KtlgNr 143) eine Rolle, daneben auch bereits Wasserbauarbeiten. Wieder begegnet früh (1857, HB 25) die Weser bei Bremerhaven als Fundort. Baggerarbeiten in Flüssen stellen die Hauptursache für das Auffinden der Objekte dar. Ab 1950 wird Kiesgewinnung genannt. Moderne archäologische Ausgrabungen setzen erst Ende der 1970er / Anfang der 1980er Jahre ein, wobei wichtige Stationen vor allem die Bergung der Bremer Hanse-Kogge (Hoffmannn / Schnall 2003) und die Rettung der kaiserzeitlichen Schiffe von Mainz (Bockius 2006) darstellen. Forschungstaucher kommen sowohl an den Küsten wie in Südwestdeutschland ab Anfang der 1990er Jahre zu Prospektion und Hebung zum Einsatz.
Im Unterschied zu den Verhältnissen bei den Eoinbäumen, bei denen fast jedes Jahr des 20. Jahrhunderts über neue Objekte berichtet wurde, verläuft die Entdeckungsgeschichte bei den Plankenschiffen nicht linear. Die ersten beiden Drittel des 20. Jahrhunderts haben kaum mehr Funde erbracht als das ganze 19. Jahrhundert zusammen; erst ab 1967 setzen wieder regelmäßiger Fundmeldungen ein, um in den 1980er Jahren dann vergleichbare Zahlen wie bei den Einbäumen zu erreichen (vgl. Karte 3). Es steht zu vermuten, dass dies weniger die realen Verhältnisse wiederspiegelt als den Umgang mit den jeweiligen Funden: Plankenschiffe, besonders wenn sie stark fragmentiert sind, lassen sich kaum von den Ruinen von Wasserbauten oder einsedimentiertem Treibgut unterscheiden. Selbst Fachleute können ohne naturwissenschaftliche Datierung oft kaum entscheiden, ob es sich um ein archäologisches Denkmal oder um einen Havaristen aus moderner Zeit handelt. Insofern ist davon auszugehen, dass die Daten zur Gattung der Plankenschiffe noch weit unvollständiger und fragmentierter sind als die zu den Einbäumen.
Die ältesten Wasserfahrzeuge des Arbeitsgebietes entstammen dem Mesolithikum. Es handelt sich ausschließlich um Einbäume. Wir kennen insgesamt sechs Objekte, wobei die Daten der Landesämter wegen der Bedeutung der Funde und der Vollständigkeit halber für diesen Zeitabschnitt ergänzt wurden. Alle Fundstellen liegen an der Ostseeküste und in der Norddeutschen Tiefebene. Die wenigen Funde konzentrieren sich auf nur vier Fundstellen. Die Datierungen der Funde liegen zwischen etwa 5500 und 4000 v. Chr. eng beisammen. Der gesamte Raum südlich des Dümmer und des Steinhuder Meeres bleibt im Mesolithikum leer, was besonders am oberschwäbischen Federsee angesichts der mit dem Dümmer gut vergleichbaren Situation während des Mesolithikums – zahlreiche archäologische Fundstellen auf mineralischem Boden rings um den See ( Schlichtherle 2009, 16f) – erstaunlich ist. Vielleicht ist die Fundleere in Südwestdeutschlands also noch eine Frage des Forschungsstandes.
Die Karte zu den Objekten des Neolithikums umfasst insgesamt 11 Objekte, von denen eines aus der Literatur nachgetragen wurde. Wieder handelt es sich ausschließlich um Einbäume. Nun bildet das auffälligste Kartenelement die Häufung von Funden im Federseeried in Oberschwaben, das hier erstmals eine prominente Position andeutet. Ein Boot belegt die Kontinuität des Wasserverkehrs am Dümmer. Zwei weitere Boote treten in Brandenburg auf. Auch die Ostseeküste ist wieder vertreten. Mit dem Objekt von Mannheim erscheint erstmals ein Fund in einem großen Stromtal.
In der Bronzezeit verschiebt sich das Kartenbild stark nach Osten;
der Westen bleibt ganz leer. Im Norden und Nordosten wurden zwei
Fundpunkte (im Warnsdorfer Moor sowie in Berlin) ergänzt. Das
Federseebecken nimmt mit seinen neun Einbäumen in diesem
Zeitabschnitt eine dominierende Rolle ein. Die sechs oder sieben
potenziell spätbronzezeitlichen Boote aus der „Wasserburg Buchau“
des Federseeriedes sind wegen des schlechten Publikationsstandes
(Mainberger 2016, 337) hier noch gar nicht berücksichtigt. Ein
Einbaum vom Degersee im Westallgäu bildet den einzigen Fund aus
dem Einzugsgebiet des Rheins. Mit dem Einbaum von der Roseninsel im
Starnbergersee (BY 123) erscheint erstmals das bayrische
Alpenvorland in den Karten. Bronzezeitliche Plankenfahrzeuge mit
Lasch- und Steckverbindungen, wie sie in England und Wales
verbreitet vorkommen (Bockius 2013, 253-257),
fehlen im Arbeitsgebiet.
Die vorrömische Eisenzeit ist mit neun Objekten vertreten. Der
Westen Deutschlands bleibt erneut weitgehend frei; am Oberlauf der
Weser erscheinen nun aber drei Fundpunkte. Weitere Gruppen von
Booten liegen in Brandenburg und im bayrischen Alpenvorland. Für
Plankenboote „keltischer“ Schiffbautradition, die etwa als „Nachen“
in den evolutionistisch gefärbten Typologien Ellmers´ eine
weitgehend hypothetische Rolle spielen (z.B.
Ellmers 1983, 485f), fehlt bislang jeder
archäologische Beleg. Dasselbe gilt für Plankenfahrzeuge genähter Bauart,
die über das Mittelmeergebiet hinaus auch – wenngleich in anderer Gestalt
- im eisenzeitlichen Milieu der Britischen Inseln sowie im südskandinavisch-dänischen
Ostseeraum auftauchen (Bockius 2013,
224f.; 260 Abb. 3,2, 10).
Die ersten Plankenschiffe tauchen im Zeitfenster der römischen Kaiserzeit auf. Die Zahl nachgewiesener Schiffsfunde erhöht sich schlagartig auf 22, das Fundbild verschiebt sich nach Westen an den Rhein. Die Schiffe liegen dabei häufig auf engem Raum zusammen: In Mainz konzentrieren sich sieben bis acht Objekte, in Xanten zwei. Eine weitere Fundkonzentration ist an der Donau bei Oberstimm sichtbar, wo ebenfalls zwei Plankenschiffe nachgewiesen sind. Die Einbäume, die noch in der Eisenzeit immer wieder weitab der großen Stromtäler erschienen sind, rücken jetzt in unmittelbare Nähe größerer Flüsse. Mit Ausnahme des Oderbeckens sind nun alle großen Flussysteme mit Funden belegt.
Das Bild im Frühmittelalter bleibt mit 18 Funden – sechs davon Plankenschiffe - ähnlich. Das Arbeitsgebiet bleibt weiterhin flächendeckend belegt. Die Ostseeküste meldet sich mit zwei Plankenschiffen zurück. Mit dem Fund vom Schluchsee ist erstmals ein Fahrzeug in einem Mittelgebirge nachgewiesen.
Im Hochmittelalter vervielfacht sich die Zahl nachgewiesener
Schiffs- und Bootsfunde auf 92. Entsprechend komplexer wird das
Kartenbild. Plankenschiffe dominieren die Verhältnisse im Nordosten,
wo sich an der Ostseeküste 9 Schiffsfunde konzentrieren. Die
Schifffahrt auf der Elbe ist mit vier Schiffen belegt. Im
Stadtgebiet von Bremen liegen allein 5 Schiffsfunde. Im Stromtal des
Rheins sind drei Plankenschiffe nachgewiesen; am Bodensee bildet
sich nach Ausweis einiger Bodenfunde, die durch sekundär verbaute
Schiffbauteile ergänzt werden (Hakelberg 2003, 146f)
eine eigene schiffbauliche Tradition heraus. Dass neben der
Seeschifffahrt, dem Verkehr auf den großen Strömen und Binnenseen
nun auch kleine Nebenflüsse mit Plankenschiffen erschlossen werden,
belegt das bereits erwähnte Schiff von Pforzheim.
Die insgesamt 54 Einbäume ergänzen das Kartenbild und belegen Räume,
die von den Plankenschiffen weitgehend freigelassen sind. Zu nennen
ist insbesondere das bayrische Alpenvorland, wo Einbäume auf Amper,
Isar, Inn und Alz weit in das Gebirge vorstoßen. Der Main, der
erstmals mit Funden der römischen Kaiserzeit als Schifffahrtsstraße
belegt war und im Frühmittelalter nur einen Einbaumfund aufweist,
ist nun mit einer ganzen Anzahl von Einbaumfunden verbunden. Es
fällt auf, dass die dichte Belegung des Mains exakt an der
bayrisch – hessischen Landesgrenze endet – ein klarer Hinweis auf
forschungs- und entdeckungsgeschichtliche Unterschiede in beiden
Bundesländern. Auch der Neckar und der Oberlauf der Weser werden mit
Einbäumen befahren. Dicht belegt ist auch die Elbe mit ihren
Zuflüssen. An der Ostseeküste fallen Einbäume nun hingegen aus.
Im Hochmittelalter erscheinen nun auch in nennenswerter Anzahl
monoxyle Schwimmkörper bzw. Floßbauteile. Belege gibt es vom Main
und von der Weser. Das Kartenbild ist hier aber sicherlich besonders
unvollständig. Flöße dürfte es, nach einem allerdings undatierten
und nicht publizierten Fund vom Federseeried zu urteilen
(zuletzt Reinerth 1979, 9),
bereits in prähistorischer Zeit gegeben haben. Aus römischer Zeit
sind mehrere Funde bekannt, die hier aber wegen fehlender Einträge
nicht vollständig kartiert werden können (vgl. Karte 10);
als Beispiel für ungemeldete Objekte mögen die Funde von Mainz
genügen (Bauer 2002).
Der großen Bedeutung, die die Flößerei nach
historischen Quellen spätestens ab der römischen Zeit gehabt hat
(Ellmers 1985;
Keweloh 1985),
stehen schlechte Chancen gegenüber, dass Floßbauteile als solche
erkannt werden; bei ausgehöhlten Objekten sind vielfach keine
Unterschiede zu Einbäumen auszumachen.
In den letzten Jahrhunderten verringert sich die Zahl der archäologischen Nachweise von Wasserfahrzeugen mit 67 Objekten wieder etwas. Einbäume nehmen mit 25 Belegen mehr als ein Drittel ein. Auffälligstes Kartierungsergebnis ist, dass nun erstmals Plankenschiffe unmittelbar an der Nordseeküste und den vorgelagerten Inseln auftauchen. Die Weser bleibt mit Schiffsfunden dicht belegt, ebenso die Ostseeküste. An der Saar erscheint mit einem Plankenschiff erstmals ein Fundpunkt. Im Flussgebiet der Elbe ist auffällig, dass Plankenschiffe am Oberlauf dominieren, während Einbäume mehrheitlich am Unterlauf des Flusses nachgewiesen sind. In Süddeutschland stehen sich die Plankenschiffe des Bodensees und zahlreiche Einbäume des bayrischen Voralpenlandes gegenüber.
„Der erste Platz in der Reihe der deutschen Ströme gebührt dem Rhein, Deutschlands größtem, berühmtesten, geschichtsträchtigsten und mit Abstand verkehrsreichstem Fluss“ (Eckoldt 1998a, 39). Seine Bedeutung für die Schifffahrt verdankt der Rhein in mehrerlei Hinsicht seinem Ursprung im alpinen Hochgebirge. Zum einen stellt er eine Verkehrsverbindung zwischen dem mediterranen Raum südlich des Alpenhauptkamms und der Nordsee dar; zum anderen gleichen die Schmelzwässer des Hochgebirges die Niedrigwasserperioden der aus den Mittelgebirgen einmündenden Nebenflüsse aus und sorgen für ein relativ gleichmäßiges Fahrwasser. Der Rhein durchbricht als einziger deutscher Strom die Mittelgebirgsschwelle und verbindet so bevölkerungsreiche und wirtschaftlich bedeutende Räume miteinander. Hydrologisch lässt sich der Fluss in unserem Raum in vier Abschnitte – Hochrhein mit Bodensee, Oberrhein, Mittelrhein, Niederrhein - gliedern. Im Hochrhein mussten in historischer Zeit die bis über zwanzig Meter hohen Katarakte bei Schaffhausen, Laufenburg und Laufen mit Wagen umgangen werden; aber auch der Oberrhein, der vor der Tulla´schen Korrektion ständig seinen Lauf veränderte und in dem immer mit Untiefen und treibenden Bäumen zu rechnen war, galt als schwieriges Fahrwasser. Weitere Gefahrstellen stellten das Binger Riff und das Wilde Gefähr von Kaub im Mittelrheingebiet dar (Eckoldt 1998a, 39 - 41).
Der Hauptstrom des Rheins ist auf der Karte verhältnismäßig schwach
belegt. Der neolithische Einbaum von Mannheim belegt aber eine
Befahrung bereits in vorgeschichtlicher Zeit, wobei der Bezug zur
Einmündung des Neckars nicht zu übersehen ist. Prominent ist der
Hauptstrom vor allem in der Römerzeit besetzt. Ansonsten lassen sich
im Kartenbild zwei Häufungen ausmachen: Im Bodenseegebiet und am
Oberlauf des Mains. Was das Bodenseegebiet angeht, haben wir es wohl
mit bis in prähistorische Zeit zurückreichende Quellen zu tun.
Römische Schiffsfunde fehlen, obwohl wir aus Schriftquellen wissen,
dass auf dem See eine kleine Flotte operierte. Im Mittelalter
entsteht am „Schwäbischen Meer“ dann eine eigene
Binnenschifffahrtstradition, die sich in der Karte mit
hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen Plankenschiffen
niederschlägt und bis in die Neuzeit verfolgen lässt. Am Oberlauf
des Mains sind hingegen ausschließlich Einbäume nachgewiesen, die
mit ersten Funden in der römischen Kaiserzeit einsetzen und bis in
die frühe Neuzeit nachzuweisen sind. Auffällig ist dabei besonders
die Häufung im obersten Abschnitt des Mains, der mit seinen
Quellbächen an die hydrographischen Einzugsbebiete von Weser, Elbe
und Donau angrenzt (vgl. auch oben Kap. 4.2).
Dass selbst sehr kleine Fließgewässer für die Schifffahrt genutzt
wurden, belegt das Objekt aus Pforzheim an der Enz. Das
eichengebaute, wohl flachbodige Schiff befuhr ein Flüsschen, das
heute im Stadtgebiet eine Breite von 10 – 15m hat und eine Tiefe von
1m, stellenweise vielleicht auch 1,5m erreicht (frdl. Mitteilung Herr
Schnepf, Amt f. Wasserbau Pforzheim). Der Name „Pforzheim“ soll im
Übrigen ein Hinweis auf eine Nutzung als Hafen in römischer Zeit darstellen
(Eckoldt 1998a, 71a). Entsprechende Beispiele
lassen sich im Übrigen aus allen anderen Stromgebieten finden. Dass
man sich auch von extrem widrigen Bedingungen nicht von der Schifffahrt
abhalten ließ, bezeugt etwa eine Schriftquelle aus dem Ijssel – Gebiet.
Um die Berkel, die bei Vreden nur 2,4m3/sec. schüttet, schiffbar zu
machen, staute man das Wasser mithilfe eines Dammes. Bis zu vierzig
„einfach gebaute kleinere Schiffe“ waren zuvor auf einer Wiese
aufgestellt worden, die nun aufschwammen und mit dem Schwellwasser
stromabwärts getrieben wurden (Eckoldt 1998b,
122). Hier kam also – bis in den Ausgang des 19. Jh - eine Technik zum
Einsatz, die man aus den Nebenflüssen des Rheins von der Flößerei
kennt. Man hat mit solchen Befunden damit zu rechnen, dass
Schiffsfunde bis in kleine Bäche auftreten.
Die in historischer Zeit wichtige Flößerei ist durch archäologische Funde nur schwach belegt. Die bekannten Floßbauteile, die alle aus der Römerzeit stammen, beschränken sich auf den Ober- und Mittelrhein.
Große Räume des Rheingebietes bleiben fundleer. Im Fall der Mosel, für die in der Römerzeit zahlreiche Schriftquellen und archäologische Bodenfunde – etwa das berühmte „Neumagener Weinschiff“ vorliegen (Ellmers 1988), muss dies eine Frage des Forschungsstandes sein. Immerhin ist die Saar mit einem undatierten Schiffsfund belegt. Die rechten Nebenflüsse des Rheins nördlich des Mains - insbesondere Lahn, Ruhr, Lippe bleiben ganz ohne Funde.
Die Ems ist mit ihren 371 km Länge und den Nebenflüssen Leda und
Hase der kleinste deutsche Strom. Die heutige Gestalt erhielt die
Emslandschaft erst im Mittelalter, als in Folge von Sturmfluten die
Seebucht Dollart entstand. Heute ist der unterhalb Emden liegende
Stromteil Seeschifffahrtstraße. Im Oberlauf zwangen Felshindernisse
in Rheine und Bentlage die historische Schifffahrt zum Umladen. Das
Einzugsgebiet der Ijssel, deren Nebenflüsse z.T. innerhalb der BRD
entspringen, schiebt sich zwischen Rhein- und Emsgebiet
(Eckoldt 1998b).
Die Karte zeigt einige Einbaumfunde in den Quellbächen und einen
neuzeitlichen Schiffsfund am Unterlauf der Leda. Auch im
Ijssel–Gebiet – im Nebenfluss Vechte - treten einige Einbäume auf.
Das älteste Objekt, das die Karte zeigt, ist ein
frühmittelalterliches Plankenschiff im Oberlauf der Ijssel.
Die Weser ist der einzige Fluss, der mit seinem Einzugsgebiet
vollständig im Arbeitsgebiet BRD liegt. Landschaftsgeographisch
unterteilt man das Wesergebiet in Oberweser, Mittelweser, Unterweser
und Außenweser. Der Fluss mit seinem Nebenfluss Fulda – die Werra
gilt als der Oberlauf der Weser, auch ihr Name zeigt das -
entspringt im Weserbergland, die Mittelweser beginnt mit dem
Eintritt in die Norddeutsche Tiefebene, die Unterweser bei Bremen,
die Außenweser im Bereich des heute trichterförmig ausgebauten
Ästuars bei Bremerhaven. In historischer Zeit war die Tide bis
Bremen wirksam; dennoch hatte dieser Flussabschnitt bis in das 19.
Jh. den Charakter eines oberwasserregierten Binnengewässers. Im
Oberlauf, aber auch in der Unterweser war der Schifffahrt vielfach
die „Verwilderung“ der Fahrwasser, also sich ständig verlagernde
Fahrrinnen und die Entstehung von Seichtstellen sehr hinderlich; als
weitere Schifffahrtshindernisse galten die Latferder Klippen
oberhalb von Hameln (Braun et al.
1998, 135f). Heute ist die Weser ab Bremen eine kanalartig ausgebaute
Seeschifffahrtsstraße.
Das Kartenbild zeigt deutliche Bezüge zu diesen naturräumlichen und
geographischen Verhältnissen. Im Bereich der Oberweser im
Weserbergland treten ausschließlich Einbäume auf, die leider alle
undatiert geblieben sind. In der Porta Westfalica, wo die Weser die
Gebirgsschwelle zur Norddeutschen Tiefebene durchbricht, treten dann
gegen Norden die ersten Funde von Plankenschiffen auf. Einbäume
dominieren aber auch im Mittelwesergebiet noch das Bild. Im
Stadtgebiet von Bremen kehren sich die Verhältnisse dann um; ab dem
frühen Mittelalter treten hier Plankenschiffe, darunter der berühmte
„Karl“ auf. Die mittelalterlichen Schiffe aus dem Stadtgebiet von
Bremen bilden im Kartenbild eine nicht zu übersehende Häufung. Die
weiter stromaufwärts gefundenen Schiffe sind alle jünger.
Während Plankenschiffe eng an das Flusssystem, und hier vor allem an den Hauptstrom gebunden sind, treten Einbäume auch an Seen und im Einzugsbereich kleinerer Quellbäche und in der Nähe der Küste auf. Leider sind viele dieser Funde nicht datiert, so auch die Einbäume vom Steinhuder Meer, dem größten Binnensee Niedersachsens.
Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht der Dümmer, der wegen seiner
herausragenden Bedeutung für die Siedlungsgeschichte des
Weser-Emslandes schon früh in den Fokus der Forschung gelangt ist.
Der Dümmer ist mit 15 km2 der zweitgrößte See Niedersachsens. Er ist
hydrologisch an die Hunte angebunden, die wiederum in die Unterweser
entwässert (zum Naturraum vgl. Kossian 2006, 17).
Wir kennen vom Dümmer insgesamt 8 Einbäume. Der älteste Bootsfund
datiert in das Mesolithikum, mit einem neolithischen und einem
eisenzeitlichen Boot ist dann die gesamte prähistorische Periode
abgedeckt. Die Zeitstellungen der Einbäume decken sich dabei
grundsätzlich mit siedlungsarchäologischen Ergebnissen, nach denen
die Belegung der Dümmerniederung mit zahlreichen Fundstellen des
Mesolithikums einsetzt und dann über lange prähistorische Zeiträume
anhält. Bei den bislang bekannt gewordenen Fundstellen geht man von
saisonal, vor allem für Jagd und Fischerei genutzten Siedlungen aus
(Kossian 2006, 23;
Behre 2008, 137f). Bei einem See dieser Größe,
der inmitten eines mehr oder weniger unwegsamen Feuchtgebietes gelegen
ist, liegt zunächst nah, dass die Boote vor allem für die Fischerei
und den Verkehr auf dem See eingesetzt waren. Angesichts der
hydrologischen Verhältnisse mag es aber sein, dass die Häufung
prähistorischer Wasserfahrzeuge und Siedlungsfundstellen noch einen
weiteren Hintergrund besitzt. Die Dümmerniederung liegt unmittelbar
an der Wasserscheide zum Emsgebiet (Abb.24).
Abgesehen von einigen Höhenzügen, vor allem den Dammer Bergen im
Westen, weist das Gelände keine nennenswerten Höhenunterschiede
auf, sodass die Größe des Sees im Verlauf seiner Geschichte stark
fluktuierte. Bis zu seiner Eindeichung 1950 hatte man auch in
historischer Zeit mit Hochwässern zu kämpfen, die Flächen von bis
10000 ha betrafen und monatelang anhalten konnten (Kossian
2006, 17). Selbst im Neolithikum, als der See etwa die heutige
Ausdehnung hatte, muss es ein leichtes gewesen sein, die maximal fünf
Kilometer Landstrecke, die zwischen den Quellbächen der Hunte und
der Hase lagen, mit Einbäumen zu überwinden. Vom Dümmer aus stand
also der Weg zur Nordsee nicht nur über Hunte und Weser, sondern
auch über Hase und Ems offen. Insofern ist durchaus denkbar, dass
die Einbäume des Dümmergebietes nicht nur im lokalen Verkehr
zwischen Dörfern und Feldflächen, sondern auch im überregionalen
Verkehrswesen eine Rolle spielten. Der Dümmer wäre dann auch als
Nahtstelle des Verkehrs zwischen Ems- und Weserland aufzufassen.
Unweit des Dümmer sind im Übrigen zwei kaiserzeitliche Boote
kartiert, die eine Kontinuität der Nutzung von Wasserfahrzeugen bis
in die römische Kaiserzeit bezeugen. Ni 22
liegt an einem Quellbach und Zufluss der Leine und belegt, dass in
dieser Landschaft auch winzige Bäche mit Einbäumen befahren wurden.
Im Ganzen unterstützen solche Beobachtungen die Überlegungen zu einem
komplexen System aus Land- und Wasserverbindungen zur Versorgung der
Nordischen Bronzezeit mit Rohmaterialien aus dem alpinen Süden, wie
sie von Höckmann (Höckmann 2006)
vorgeschlagen wurde.
Die Elbe ist nach dem Rhein der zweitgrößte deutsche Strom. Die wichtigsten Nebenflüsse im Arbeitsgebiet sind die Saale und die Havel mit der Spree. Man unterteilt den Fluss heute in die Oberelbe (von der tschechischen Grenze bis zur Mündung der Schwarzen Elster, die Mittelelbe von der Schwarzen Elster bis zum Wehr Geesthacht, und die Tideelbe von Geesthacht zur Mündung in die Nordsee. Die Tideelbe ist als langer, stark von Gezeiten geprägter Mündungstrichter kanalartig ausgebaut (Rhode 1998b, 173f). Ebenso wie Weser und Oberrheingebiet war die Schifffahrt auf der Elbe in historischer Zeit massiv durch Verwilderungen des Fahrwassers, wandernde Untiefen, Uferabbrüche, Kolke, Mühlbauten, und treibende Baumstämme behindert. Im Winter kam Eisgang als Gefahrenquelle hinzu. Hydrologisch mit ins Elbgebiet fällt der südliche Teil der Mecklenburgisch–Brandenburgischen Seenplatte mit einer in Deutschland einzigartigen Häufung von Binnenseen unterschiedlicher Größe.
Auffälligster Karteninhalt ist der Kontrast zwischen den zahlreichen Belegen von Wasserfahrzeugen im nördlichen Teil des Einzugsgebietes und der Fundleere im Süden. Der Elblauf selbst ist streckenweise bis zur tschechischen Grenze geradezu perlschnurartig mit Funden von Einbäumen und Plankenbooten besetzt, und auch Havel- und Spreegebiet weisen zahlreichen Schiffsfunde auf. Der Unterlauf der Saale mit Unstrut, Weißer Elster und Mulde bleibt hingegen leer. Man muss sich auch bei diesem Sachverhalt (vgl. auch w.o. Kap. 4.2) fragen, ob es sich hierbei um ein forschungsgeschichtliches Phänomen handelt; aus dem Bundesland Thüringen, das einen großen Teil der betreffenden Fläche einnimmt, wurde kein einziger Schiffsfund gemeldet.
Mit Ausnahme des Mesolithikums lassen sich Funde aus allen Zeitscheiben nachweisen. Die beiden neolithischen Einbaumfunde von Linum (BB 3; BB 44) liegen an einem kleinen Nebenflüsschen der Schwarzen Elster. Die fünf bronzezeitlichen Einbäume vom Calpenzer Moor (BB 21) liegen auf der Wasserscheide zum Odergebiet. Es folgen eisenzeitliche Einbäume, die ebenfalls sämtlich im Bereich von Quellbächen gefunden wurden. Das einzige Objekt aus der römischen Kaiserzeit stammt von der Elbmündung. Die ältesten Plankenschiffe datieren in das 13. Jh., wobei wir mit ST 35 ein Schiff aus einem Binnensee, nämlich dem Arendsee besitzen. Die Nachweise von Plankenschiffen konzentrieren sich - im Unterschied zu den Verhältnissen an der Weser - an der Mittelelbe, an der Havel und der Spree und mithin in einem klaren Binnengewässerzusammenhang. Einbäume – leider viele davon undatiert – häufen sich besonders im Bereich der Mecklenburgisch–Brandenburgischen Seenplatte und lassen sich von der Elbmündung bis in viele Quellbäche und Kleinseen nachweisen und sind im Süden bis zur tschechischen Grenze verbreitet.
Die Oder ist heute Grenzfluss und in ihrem unteren Abschnitt Seeschifffahrtstraße. Mit ihrem Einzugsgebiet, das bis in die Karpaten reicht und die Sudeten flankiert, hatte sie in historischer Zeit und hat bis heute große Bedeutung für die Schifffahrt. Hier wird sie wegen ihres kleinen Anteils am Arbeitsgebiet am Rande der Besprechung des Elbgebietes behandelt. Schiffsfunde an der Oder konzentrieren sich zunächst unmittelbar am Fluss, bzw. entlang der Neiße, an der in der Nähe ihrer Mündung auch ein Plankenschiff nachgewiesen ist. Bei den übrigen Funden handelt es sich um Einbäume, die leider fast alle undatiert geblieben sind. In dieser Hinsicht ähneln die Verhältnisse denen der Elbe und an der Ostsee.
Die Nordseeküste und die einmündenden Flussästuare waren in den letzten 7000 Jahren in ihren äußeren Linien einer extremen Dynamik ausgesetzt. Globale Faktoren wie Klimaschwankungen und damit verbundene eustatische Meeresspiegelschwankungen, lokale Naturkatastrophen wie Sturmfluten, menschliche Einflüsse wie Eindeichungen und Stromkorrekturen führten zu gewaltigen Veränderungen der Küstenlinien, zur Entstehung der der Küste vorgelagerten Inseln und zur radikalen Umgestaltung der ursprünglich oberwasserregierten Flussmündungen in trichterförmige, kanalartig ausgebauten Ästuare (Rhode 1998a; Behre 2008, 19f). Es ist vor diesem Hintergrund kaum möglich, im gegebenen Zeitfenster sinnvolle Beziehungen zwischen lokalen hydrologischen Verhältnissen und den archäologischen Bodenfunden herzustellen. Bei den ältesten Schiffsfunden handelt es sich um Einbäume, von denen Ni 100 in der Mündung der Ems und SH 5 etwa auf halbem Weg im Isthmus zwischen Elbemündung und Kiel liegt. Auf dieser Linie, auf der heute der Nord-Ostseekanal verläuft, sind weitere drei Stammboote nachgewiesen, von denen eines in das Hohe Mittelalter datiert, und zwei undatiert geblieben sind. Nicht zu übersehen ist, dass die für die Wikingerzeit und das Mittelalter postulierte Route zwischen Ost- Nordsee, nämlich über Treene und Eider (zuletzt etwa Brand 2006), fundleer bleibt. Die dokumentierten Objekte liegen im Binnenland im Bereich kleiner Quellbäche und können die Überlegungen zu einem teilweise über Land verlaufenden Waren- und Personenverkehr zwischen der Schlei mit Haithabu und Schleswig (z.B. ) über die Schleswiger Landenge nach Westen durchaus unterstützen; aber eben nicht zur Tideeider oder zur Treene nach Hollingstedt, sondern in südwestliche Richtung zur Mündung der Elbe. Die bislang beobachteten Plankenschiffe sind alle undatiert geblieben oder gehören in die Neuzeit. Sie liegen unmittelbar an der Küste oder im Bereich der der Küste vorgelagerten Inseln. Das Kartenbild ist hier sicherlich inkonsistent und unvollständig. Einen Hinweis auf die tatsächliche Funddichte gibt die vom BSH veröffentlichte Karte (Abb. ). Archäologische Gutachten, die im Zusammenhang mit geplanten weiteren Ausbauschritten von Elbe und Weser erarbeitet wurden, haben im Bereich von Außenweser und Außenelbe zahlreiche weitere, in den Akten der Denkmalverwaltungen wegen der Lage außerhalb ihrer Zuständigkeiten offenbar nicht geführte Schiffsfunde identifizieren können (Mainberger 2008; Blankenfeldt/Mainberger 2011). Bislang aber ist keines von ihnen näher untersucht.
Das Ostseegebiet unterscheidet sich in seiner Hydrologie und Geschichte beträchtlich von den Nordseeküstenlandschaften. Für die historische Entwicklung ausschlaggebend waren postglaziale eustatische und isostatische Wasserspiegelschwankungen, sich öffnende und schließende Verbindungen zur Nordsee und damit einhergehende Schwankungen des Salzgehaltes. Diese dynamischen Verhältnisse erstreckten sich auch noch in das hier behandelte Zeitfenster mit Boots- und Schiffsfunden. Aus hydrologischer Sicht hat die Ostsee erst seit etwa 500 Jahren ihren heutigen Charakter, wobei etwa die Hebungsvorgänge der Landmassen im Norden des Baltikums noch keineswegs abgeschlossen sind und noch etwa 1m pro Jahrhundert betragen. Auch die deutsche Ostseeküste mit ihren Förden im Westen, der daran anschließenden Buchtenküste und der Boddenausgleichsküste und den Kalkriffs im Osten ist noch immer einer starken morphologischen Dynamik unterworfen. Hier entstehen bis heute Nehrungen und Strandwälle. Die großen Flüsse haben wegen der kaum nennenswerten Tide keine Mündungstrichter, sondern weite Deltas ausgebildet (Behre 2008, 37f). Gegen Süden schließt an die Küstenlandschaft die Mecklenburgisch–Brandenburgische Seenplatte mit ihren zahllosen Stillgewässern an.
Das Kartenbild resultiert vielfach aus Forschungen, die erst in den letzten beiden Jahrzehnten durchgeführt wurden und die deutsche Ostseeküste mit ihrem Hinterland zu einer unterwasserarchäologisch gründlich erschlossenen Fundlandschaft gemacht haben. Es lässt ähnliche Schwerpunkte wie die sehr viel schlechter erforschte Nordseeküste erkennen. Während die Küste von Plankenschiffen dominiert wird, liegen im Hinterland, an den Flüssen und Seen, Einbäume. Mesolithische und neolithische Einbaumfunde belegen aber, dass die Ostseeküste, ähnlich wie in den skandinavischen Nachbarländern, bereits sehr früh mit Einbäumen befahren wurde (Kaute u.a. 2004). Das Nydam-Schiff aus dem frühen 4. Jh. – auf dänischem Boden gefunden, aber in deutschem Besitz – stellt zusammen mit zwei teils älteren Funden aus dem Nydam-Moor das früheste im Katalog erfasste Plankenfahrzeug dar. Hinweise auf die Nutzung des Fahrzeugtypus entlang der deutschen Ostseeküste fehlen. Bei den frühmittelalterlichen und hochmittelalterlichen Schiffsfunden haben besondere Aufmerksamkeit die Schiffe vom „Koggentyp“ gefunden (Förster 2000; Förster 2004 - beachte aber die neuzeitlichen Datierungen von MV 15 und MV 28). Die Einbäume des Hinterlandes – vielfach bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh. und in der Nachkriegszeit entdeckt - sind zwar systematisch aufgenommen worden, vielfach aber leider undatiert geblieben (Bleile 2008, 475f). Die Karte schließt in dieser Hinsicht an die Verhältnisse im Elb- und im Odergebiet an. Im Übrigen ist sichtbar, dass Einbäume sowohl die Oberläufe der Küstenflüsse – namentlich der Recknitz, Peene und Ucker, als auch die Seen befuhren.
Die Donau ist mit 2857 km der zweitlängste Fluss Europas. Ihr
Einzugsgebiet ist größer als die Einzugsgebiete von Rhein, Weser,
Elbe, Oder und Weichsel zusammen. Die überragende kultur- und
verkehrsgeographische Bedeutung des Flusses für Mitteleuropa
resultiert vor allem daraus, dass sie als einziger
mitteleuropäischer Strom den Kultur- und Wirtschaftsraum in unserem
Südosten erschließt. Bereits über weite Abschnitte der
prähistorischen Kulturentwicklung kamen entscheidende kulturelle
Impulse aus diesem Raum.
Innerhalb des Arbeitsgebietes liegen die rechten Nebenflüsse Iller, Lech,
Isar, Inn und Salzach, die dem Mittelgebirgsfluss am Oberlauf den
Charakter eines alpinen Abflusses verleihen. Von links münden die
kleineren Nebenflüsse Altmühl, Naab und Regen ein. Bei Weltenburg
durchbricht der Fluss die Felsbarriere des Fränkischen Jura; die
Stromschnellen oberhalb von Passau galten bis in das 20. Jh. als
gefährliche Schifffahrtshindernisse. Als weitere Gefahren waren im
bayrischen Alpenvorland die häufigen Hochwässer, im Frühjahr oft mit
Eisgang verbunden, gefürchtet (Rümelin/Eckoldt 1998, 394f).
Die linken Nebenflüsse der Donau kennen keine Schiffs- oder
Bootsfunde, und auch der Hauptstrom bleibt weitgehend leer von
Fundpunkten. Allerdings finden sich hier mit den beiden Schiffen
von Oberstimm bedeutende Zeugnisse der römischen Schifffahrt, deren
militärischer Hintergrund ebenso sinnfällig ist wie bei wenigstens
einem Teil der spätantiken Wracks in Mainz. Das Gros der Funde –
sämtlich Einbäume - liegt im südwestdeutschen und im bayrischen
Alpenvorland. Hier verteilen sie sich nicht gleichmäßig, sondern
häufen sich in drei Landschaften: dem Chiemseegebiet, wobei hier
die Funde bis zur Iller im Westen und zur Salzach im Osten streuen,
dem Starnbergersee und dem südlich davon liegenden voralpinen Raum
und dem Federseebecken Oberschwabens.
Im östlichen Bayern setzen die ersten Objekte mit eisenzeitlichen
Einbäumen von der Salzach und vom Chiemsee ein. Im Chiemsee und
den Quellbächen der Iller folgen dann frühmittelalterliche und
hochmittelalterliche Funde. Einen Beleg für die Nutzung von
Einbäumen auf sehr kleinen Seen und Quellbachsystemen stellt dann
der aus dem 17. Jh. stammende Fund vom Falkenseebach bei Inzell (
By 16) dar.
Im Starnbergerseegebiet entstammt der älteste Fund eines Einbaumes
der Spätbronzezeit. Im Übrigen ähnelt das Bild dem der östlichen
Nachbarlandschaften: es folgen ein eisenzeitlicher Einbaum aus dem
See selbst, sowie früh- und hochmittelalterliche Funde wiederum
aus dem Starnbergersee und Kleinseen und Flussoberläufen im nach
Süden ansteigenden Alpenvorland. Dass der gänzlich fundleere
Ammersee so auffällig mit dem Starnbergersee kontrastiert, mag
auch forschungsgeschichtliche Gründe haben, hat sich doch die
Unterwasserforschung der letzten Jahrzehnte stark auf den
Starnbergersee mit seinen wichtigen prähistorischen
Siedlungsstellen konzentriert.
Eine archäologische Ausnahmeerscheinung stellt das Federseeried im Zentrum Oberschwabens dar. Eine bis in das 19. Jh. zurückreichende Forschungsgeschichte hat hier eine im mitteleuropäischen Rahmen einzigartige Fundlandschaft erschlossen. Die inzwischen mehr als 50 im Ried entdeckten Einbäume stellen dabei nur einen kleinen Teilaspekt dar. Das Federseemoor ist mit 180 ausgegrabenen Hausgrundrissen aus Neolithikum, Bronze- und Eisenzeit, Radfunden, Bohlenwegen, und zahlreichen, teilweise eponym gewordenen Fundplätzen weithin berühmt geworden (Schlichtherle 1997). Die archäologische Bedeutung des Federseeriedes steht in engem Zusammenhang mit seiner verkehrsgeographischen Lage zwischen dem Alpenrheintal – dem Tor zu den Wegen über die Alpen – und der Oberen Donau (Schlichtherle 1995, 80; Köninger/Schlichtherle 1999, 43). Das Ried entwässert im Norden zur Donau, im äußersten Süden zum Rhein und liegt also auf der Wasserscheide zwischen beiden Flusssystemen (Schlichtherle 2009, 9).
Die ältesten Einbäume des Federseeriedes datieren in das Neolithikum. Angesichts der zahlreichen mesolithischen Fundstellen, die den See säumen, ist das Fehlen älterer Objekte verwunderlich und vermutlich eine Frage des Forschungsstandes – von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Einbäume des Riedes, viele davon vor der Mitte des 20. Jh. entdeckt, undatiert geblieben. Es folgen eine ganze Anzahl frühbronzezeitlicher Boote. Ob die Einbäume aus der Wasserburg Buchau spätbronzezeitlich datieren, ist wahrscheinlich, lässt sich aber angesichts des schlechten Publikationsstandes und fehlender absoluter Datierungen nicht sicher beantworten. Ein einzelnes Objekt datiert in das Frühe Mittelalter.
Die Verhältnisse im Federseeried kontrastieren stark mit den anderen großen oberschwäbischen Mooren, etwa dem Pfrungener oder dem Wurzacher Ried, die weitgehend oder vollständig fundleer geblieben sind. Ebenso auffällig ist, dass die übrigen bekannten Einbäume aus dem Raum nördlich des Bodensees mit großer Mehrheit – eine Ausnahme bildet der frühbronzezeitliche Einbaum vom Degersee – stets in den kleinen Mooren und Seen in unmittelbarer Nähe der Europäischen Hauptwasserscheide gefunden wurden. Angesichts zahlreicher historischer und ethnographischer Belege zu „Portages“, also Schleppstellen, an denen Boote oder Waren über Land und Wasserscheiden von einem Gewässersystem in das nächste transportiert wurden, drängt sich ein möglicher Zusammenhang auf: nämlich dass die entsprechenden Objekte nicht nur dem lokalen Verkehr auf dem See dienten, sondern in einen überregionalen Verkehr eingebunden waren. Für das Mittelalter gibt es auch direkte archäologisch – naturwissenschaftliche Belege solcher Wechsel von einem Gewässersystem in das nächste. Das Schiff von Kelheim-Kelheimwinzer (BY 11), dessen Holz offenbar aus dem Rheinland oder dem nördlichen Baden-Württemberg stammt, muss die Wasserscheide zwischen Rhein und Donau überwunden haben (Herzig/Weski 2009, 102). Für die Einbäume des Federseeriedes bedeutet dies ein Hinweis, dass die außerordentliche Häufung von Wasserfahrzeugen auf kleinstem Raum als weiteres Indiz für eine Funktion des prähistorischen Federsees als Drehscheibe des Waren- und Personenverkehrs zwischen Rhein und oberer Donau zu begreifen ist.
Das hier vorgelegte Kartenwerk, das auf etwa 650 Boots- und Schiffsfunden beruht, enthält Aussagen vor allem zur Verbreitung archäologischer Funde von Wasserfahrzeugen in Raum und Zeit. Eine Analyse baulicher Entwicklungen auf der Zeitachse oder der Eigenheiten in bestimmten Fundlandschaften wurde hier nicht vorgenommen; die hier vorgelegten Daten werden aber die Chancen solcher Analysen zukünftig sicherlich verbessern. Aus archäologischer Sicht ergibt sich schon jetzt ein interessantes Ergebnis. Mit Ausnahme mancher Mittelgebirgsregionen lag jeder Punkt des hier betrachteten Arbeitsgebietes weniger als ein Kilometer von einem zumindest mit kleinen Booten oder Einbäumen schiffbaren Wasserlauf. Wenn auch nur in Ausnahmefällen klar wird, ob die betreffenden Boote aus solchen, teilweise sehr kleinen Quellbächen oder aber auf heute vielfach verlandeten Binnenseen gefahren wurden, erscheint wahrscheinlich, dass diese Wasserläufe tatsächlich als Wasserstraßen genutzt wurden. Dümmer und Federseeried geben Hinweise, dass man dabei bereits auch sehr früh Wasserscheiden überwand und von einem Gewässersystem in das nächste wechselte. Das Land- und Wassertransportsystem verfügte an solchen Punkten wohl zumindest in den Perioden, in denen es noch keine ausgebauten Landwegesysteme gab, über wichtige Netzknoten. Im Gesamten wird man sich das Transportsystem langer präistorischer und historischer Zeiträume als engmaschiges Netz aus Wasser- und Landwegen, in denen Wasserscheiden ähnliche verkehrstechnische und verkehrsgeographische Eigenschaften wie Furten hatten, vorstellen müssen (Sherratt 2006, 5f; Westerdahl 2006a, 15). Die Bedeutung der archäologischen Funde von Wasserfahrzeugen geht damit über ihre individuellen Eigenschaften potenziell weit hinaus. Als Relikte „maritimer“ (Westerdahl 1986; Westerdahl 1997) bzw. „limnischer“ (Bleile 2010) Landschaften sind sie mit grundlegenden Fragen zur Entstehung der heutigen Kulturräume verknüpft.