Martin Mainberger und Per Hoffmann
Die Entscheidung, ob ein bestimmter archäologischer Fund in die Datengrundlage mit aufgenommen werden und unter welcher Quellengattung er erscheinen sollte, lag grundsätzlich bei den jeweiligen Landesämtern. In einigen Fällen resultieren daraus Diskrepanzen zu bereits publizierten regionalen oder überregionalen Studien. So wurden uns aus Nordrhein–Westfalen insgesamt 36 Boots- und Schiffsfunde gemeldet; ein unlängst erschienener Aufsatz listet hingegen allein 56 Einbäume aus diesem Bundesland auf (Hermanns 2008). Entsprechende Unterschiede lassen sich wohl für jedes einzelne Bundesland feststellen. Aus der Literatur haben wir nur einige Funde aus den prähistorischen Epochen ergänzt. Eine systematische Literaturrecherche hätte ebenso den Rahmen unseres Vorhabens gesprengt wie eine Überprüfung der übermittelten Daten auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Die hier verwendeten Daten stammen aus den Akten der archäologischen Landesämter und Landschaftsverbände und wurden von den besten Kennern der jeweiligen Arbeitsgebiete zusammengestellt.
Die Antworten auf unsere Fragen erreichten uns meist in Form von Excel-Tabellen. Die Daten wurden in MS Access in einer Datenbank zusammengeführt. Alle GIS-Analysen erfolgten mit ArcView 9 / 10.
In der Gesamtzahl von 662 gemeldeten Funden sind, wie bereits erwähnt, enthalten: 147 Plankenschiffe, 502 Einbäume, 8 monoxyle Schwimmkörper, 1 Spant, 1 Abwrackplatz und 1 Einbaummodell. 2 Meldungen waren ohne Angaben zur Fundgattung. Zur Gruppe der 147 Plankenschiffe haben wir die Meldungen von 139 Plankenschiffen, 5 Plankenbooten, 1 Prahm, 1 Fährprahm und 1 Schleppkahn zusammengefasst. In der Suchmaschine werden diese Meldungen getrennt aufgeführt, deshalb kommt es dort zu der Zahl von 139 Plankenschiffen. Im Text bleiben wir bei der zusammengefassten Zahl von 147 Plankenschiffen.
Bei weitem nicht alle Datensätze waren mit Koordinaten ausgestattet. In vielen Fällen lagen nur Beschreibungen vor – etwa die Angabe einer Ortschaft, zusätzlich ein Gewässername. Um solche Objekte kartieren zu können, ermittelten wir Koordinaten mithilfe von Google Earth (GE), einem frei zugänglichen Online-GIS. Diese Funde sind damit wesentlich weniger genau verortet als tachymetrisch eingemessene Schiffsfunde. Für unsere großmaßstäbigen Karten spielt dies allerdings keine Rolle. Objekte, für die aufgrund zu ungenauer Angaben – wie „Einbaum aus dem Main“ – keine Koordinaten zu ermitteln waren, blieben in den Karten unberücksichtigt.
Für eine Plausibilitätsprüfung projizierten wir die Funde auf Karten der einzelnen Bundesländer. Hierbei wurden immer wieder Ausreißer – bedingt durch Tippfehler bei Koordinatenangaben – sichtbar. Probleme entstanden auch dadurch, dass in Deutschland mehrere unterschiedliche Koordinatensysteme in Gebrauch sind. In einem Fall erhielten wir Daten, in denen zwei unterschiedliche Koordinatensysteme in einer Spalte vermischt waren. Zusammen mit den in GE ermittelten geographischen Koordinaten hatten wir insgesamt sechs Koordinatensysteme – GK 2, GK 4, GK 5, UMT 32N, CGS WGS 84 – zusammenzuführen. Um sicher zu gehen, dass unsere Kartensoftware die Einzelobjekte an die richtige Stelle projizierte, schickten wir die Karten an die jeweiligen Landesämter zur Kontrolle. Die Rückläufe wurden in die Datenbank und in die Karten eingearbeitet. Offenkundig falsch verortete, Hunderte von Kilometern außerhalb des Arbeitsgebietes erscheinende Objekte wurden aus den Karten entfernt. Während die Datenbank insgesamt 662 Funde umfasst, erscheinen auf den Karten aufgrund solcher Irrläufer oder fehlender Koordinaten nur 649 Funde.
Jahrgenaue oder annähernd jahrgenaue, aus dendrochonologischen Analysen oder per wiggle–matching gewonnene Daten machen mit 102 Einträgen eine Minderheit der Datierungen aus. Ein genaues Fälljahr kann allerdings auch bei dendrochronologischen Datierungen nur sehr selten angegeben werden. Hier handelt es sich dann um Waldkantendatierungen. Bei Kernholz- und Splintgrenzdatierungen sind Jahresbereiche konventionell mit +/- angegeben. Die Breite der Datierungsspanne hat in vielen Fällen mit dem Zeitpunkt der Bearbeitung zu tun. Angaben zur Datierungsgüte findet man in der dendrochronologischen Literatur erst seit wenigen Jahren (Billamboz 2014, 2). Mit wesentlich größeren Unschärfen sind Radiokarbondatierungen behaftet, aber auch hier hat man die Methoden in den letzten Jahrzehnten rasant weiterentwickelt, sodass man bei älteren Angaben mit unkalibrierten 14C–Daten, später mit kalibrierten 14C-Daten, und seit wenigen Jahren mit den hochpräzisen AMS–Daten oder gar mit wiggle–matching von Baumringdaten zu tun hat. Entsprechende Kennzeichnungen der Daten liegen nur in Ausnahmefällen vor.
Datierungsgrundlage sind vielerorts, vor allem bei vor 1970 untersuchten Objekten, pollenanalytisch ermittelte Zeitmarken. Wie problematisch zeitliche Einordnungen auf einer solchen Grundlage sein können, ist besonders für das oberschwäbische Federseeried bekannt. Hier hat sich herausgestellt, dass nahezu keine der auf moorstratigraphischem oder pollenanalytisch gewonnenem Weg getroffenen Feststellungen naturwissenschaftlichen Überprüfungen am Holz selbst standhält (Hirte 1987, 662f; Mainberger in print). Da es nicht zu unserem Projekt gehörte, die Datierungen anderer Bearbeiter zu überprüfen, wurden für die übrigen Fundlandschaften Deutschlands die Angaben wie gemeldet übernommen.
Bei den Dimensionen hat man es kaum je mit den Abmessungen des ursprünglichen Schiffes zu tun, sondern mit Messwerten am freigelegten Wrack oder aber mit denen der im Magazin oder Museum noch aufbewahrten Resten.
Sinnvolle Kartenbilder der zeitlichen Verteilung der datierten Schiffs- und Bootsfunde erhielten wir, nachdem wir die Einzelangaben in relativ großzügig bemessene Zeitscheiben klassifizierten. Wir teilten ein:
Absolute Daten | Epochenbezeichnung | |
Mesolithikum | In Norddeutschland: bis 4500 v. Chr. |
„mesolithisch“;
„spätmesolithisch“; „Ertebölle“ |
Neolithikum | In Norddeutschland: ab 4500 v. Chr.; in Süddeutschland: ab 5500 v. Chr. |
„neolithisch“
„endneolithisch“ „mittelneolithisch“ |
Bronzezeit | 2300 – 750 v. Chr. |
„bronzezeitlich“
„frühbronzezeitlich“ „mittelbronzezeitlich“ „spätbronzezeitlich“ |
Eisenzeit | 750 v. Chr. - 0 |
„eisenzeitlich“
„hallstattzeitlich“ |
Römische Kaiserzeit | 0 – 400 n. Chr. | „1. Jh. n. Chr.“, „2.”, „3.“, „4. Jh. n. Chr." |
Frühmittelalter | 400 n. Chr. – 1000 n. Chr. |
„frühmittelalterlich“
„karolingisch“ „Slawenzeit“ |
Hoch- und Spätmittelalter | 1000 n. Chr. - 1500 n. Chr. |
„hochmittelalterlich“
„spätmittelalterlich“ "um/nach 1200" etc. |
Frühneuzeit / Neuzeit | 1500 n. Chr. |
„frühneuzeitlich“
„neuzeitlich“ „vor 1850“ etc. |
Es handelt sich also um eine Einteilung, die sich zum Teil auf chronologische Angaben, zum Teil auf phaseologisch–historische Einordnungen bezieht. Dabei entstehen, besonders an den jeweiligen Grenzen der Zeitscheiben, Unschärfen. In den älteren Epochen stellt dieser Aspekt kein größeres Problem dar, handelt es sich doch um relativ große Zeitscheiben, in die die wenigen Funde in der Regel klar eingeordnet werden. Schwieriger wird es, zumindest bei Einzelfällen, in den jüngeren Epochen: Darf man das Spätmittelalter, wie dies etwa am Bodensee durchaus gebräuchlich ist, sich bis an die Wende zum 16. Jh. erstrecken lassen? Ist ein Objekt, das um 1000 n. Chr. datiert, in das Frühmittelalter oder das Hochmittelalter zu stellen, wo es im Kartenbild zusammen mit spätmittelalterlichen Funden erscheint? Manche Einordnung wird hier etwas willkürlich erscheinen; an der Aussage der jeweiligen Kartenbilder wird sich bei dem geringen Prozentsatz fraglicher Objekte - z.B. 10. Jh.: 8 Objekte; 11. Jh.: 4 Objekte; 12. Jh.: 13 Objekte - wenig ändern.
Die meist ungeprüfte Übernahme von Informationen aus unterschiedlichen Quellen beschränkt die Aussagekraft der hier präsentierten Karten ein wenig. Der folgende Text verzichtet deshalb weitgehend auf historische Aussagen und kommentiert nur einige Grundlinien der Verbreitung von Wasserfahrzeugen in Raum und Zeit, wie sie in den Karten zum Ausdruck kommen
Mit der Herkunft und Beschränkung der Daten auf die sechzehn deutschen Bundesländer ist zugleich das Arbeitsgebiet definiert. Die Ausschließliche Wirtschaftszone, die sich weit in die Nordsee erstreckt (vgl. Karte 1), unterliegt keinem Denkmalschutzgesetz eines Bundeslandes und ist mit ihren unzähligen „Wracken“, die das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) kartiert http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Seevermessung_und_Wracksuche/Wracksuche/wrackposi_nordsee.jsp, hier nicht berücksichtigt.
Deutschland wird in der Hauptsache durch sechs Flusssysteme entwässert: die Donau, den Rhein, die Ems, die Weser, die Elbe und die Oder (Karte 2, Karte 3). Die Einzugsgebiete dieser Flusssysteme bilden geographische Einheiten, in denen die einzelnen Funde verortet sind und nach denen sie gegliedert werden können. Datenquelle der in Karte 1 dargestellten Einzugsgebiete ist die European Environment Agency http://www.eea.europa.eu/data-and-maps/data/european-river-catchments-1.
Um die komplexen hydrologischen Verhältnisse der küstennahen Flusslandschaften, die von kleineren Wasserläufen wie der Eider an der Nordsee oder der Trave an der Ostsee bestimmt werden, etwas übersichtlicher zu machen, wurden sie in Karte 1 zu zwei größeren Arbeitseinheiten künstlich zusammengefasst. In hydrologischer Hinsicht unterscheiden sich die beiden an das deutsche Festland angrenzenden Küstenmeere allerdings beträchtlich; so hat die Nordsee im Vergleich zur Ostsee einen Tidenhub von bis zu vier Metern, der sich bis weit in das Binnenland auswirkt. Bei beiden Küstenlandschaften ist zu berücksichtigen, dass das heutige Bild Ergebnis umfangreicher natürlicher und anthropogener Veränderungen ist. Zu nennen ist vor allem der gewaltige postglaziale Seespiegelanstieg, in dessen Verlauf riesige Landschaften versunken sind. Eine beinahe ebenso bedeutsame Rolle spielen auch die großflächigen Eindeichungen und Regulierungen der großen Ströme, die im Mittelalter einsetzten und die etwa die Unterweser, die noch vor hundert Jahren als oberwasseregiertes Binnengewässer gelten konnte, mit der Außenweser zum kanalisierten, trichterförmigen Küstenästuar vereinigt haben. Ähnliches gilt für andere große Stromtäler, allen voran das des Rheins, das vor der Tulla´schen Regulierung im 19 Jh. eine sich ständig verändernde Auen- und Insellandschaft bildete. Die Kartenhintergründe geben die geographischen Verhältnisse der Gegenwart und somit nur Projektionsflächen einer Landschaft wider, die sich in manchen Teilen des Arbeitsgebiets seit dem Untergang eines Schiffes grundlegend verändert haben kann.
Auf die Kartierung kleiner Seen wurde ebenso verzichtet wie auf die von Mooren. In welchen Fällen hierdurch ehemals schiffbare Gewässer nicht erfasst sind, bleibt offen. Auch auf die Kartierung der Kanäle, die ab dem 16. Jh. im Wasserverkehr eine zunehmend bedeutende Rolle spielten, wurde verzichtet.
Die Flüsse und Wasserläufe Deutschlands sind in Gewässer unterschiedlicher Ordnung gegliedert. Da limnologisch–naturwissenschaftliche Einteilungen und administrativ–wasserrrechtliche Gliederungen aber kein einheitliches System bilden und flächendeckende, hochaufgelöste und nach Gewässergrößen oder Durchfluss klassifizierte Geodaten für die BRD nicht zur Verfügung stehen, zeigen die hier präsentierten Karten eine Gewässereinteilung auf Grundlage der von SRTM (Shuttle Radar Topography Mission der NASA) abgeleiteten Geodaten, die vom U.S Geological Survey USGS online zur Verfügung gestellt werden http://hydrosheds.cr.usgs.gov . Diese Daten besitzen ein Attribut, das einen Anhaltspunkt für die Länge des entsprechenden Gewässers oberstrom liefert. Die Skala reicht bei den Fließgewässern Mitteleuropas von 100 Zellen - kleine Quellbäche, ca. 0,85 km Länge - bis 11727172 Zellen - Wolga, ca. 3530 km Länge.
In unseren Karten sind die Wasserläufe der BRD in fünf Klassen eingeteilt - Ströme, Flüsse, Nebenflüsse, Bäche, Quellbäche. Diese grobe Einteilung beruht auf pragmatischen kartographischen Erwägungen. Im Einzelfall kann aber ein „Bach“ besser schiffbar gewesen sein als ein kleiner „Nebenfluss“: Wasserführung, Wassertiefe, Gefälle, jahreszeitliche Schwankungen spielen eine große Rolle für die Schiffbarkeit. Im Übrigen ist die Größe eines Wasserlaufs keineswegs das einzige Kriterium zur Schiffbarkeit. Zu nennen sind Schifffahrtshindernisse wie die Katarakte des Rheins bei Schaffhausen oder Laufenburg oder die seit dem Frühmittelalter aufkommenden zahllosen Mühlwehre oder andere künstliche Stauungen. Wie eine Karte der deutschen Wasserwege belegt, unterschied man noch im ausgehenden 19. Jh. auch zwischen Schiffbarkeit bei Berg- und bei Talfahrt (Eckoldt 1998, 21).
Trotz aller Einschränkungen, die sich bei einer kritischen Betrachtung der Daten zeigen und die heutzutage meist nicht mehr aufzulösen sind, gilt: Tabelle und Karten liefern erstmals eine vollständige flächendeckende Darstellung der archäologischen Grundinformationen zu den Schiffs- und Bootsfunden in Deutschland.